Die Lösung des Temperaturproblems

Die Sternwarte nach Anstrich (Mai 2023)

Messungen und Ergebnisse

Messung von DI. Wolfgang Mandl am 9. Mai 2023, 13:20 h MESZ.  Originalton:  "Auch aktuell wieder bei knapp 20° am Sensor der Wetterstation aussen. Jedoch 10,4° in der Kuppel und 9,6° am Spiegel. Richtig kalt innen!"

Zusammenfassendes Ergebnis

2023-05-09

5. Meilenstein

Wie schon im Bericht zum Zusammenbau des Teleskopes (2. Meilenstein) angemerkt stellten sich schon damals temperaturbedingte Verzerrungen der Sternabbildung als eines der hartnäckigsten Probleme heraus. Das Problem ist im Grunde einfach. Glas ist ein schlechter Wärmeleiter. Somit folgt der große, dicke, schwere Glasspiegel (60 cm Durchmesser, 5 cm stark 33 kg schwer) der Umgebungstemperatur nur sehr träge. Bis zum Nachmittag erhitzt sich der Innenraum der Kuppel bei Sonneneinstrahlung schnell und stark (wir haben bis zu 40° gemessen). Dem folgt der Spiegel zwar langsam aber stetig und kann auch 25° bis 30° erreichen. Am Abend dreht sich das um. Vor allem bei offener Kuppel sinkt die Kuppeltemperatur schnell und der Spiegel bleibt warm. Der warme Spiegel erwärmt die Luft an seiner Oberfläche, welche dann naturgemäß aufsteigt und so die erwähnten „Tube Currents“ erzeugt, welche wieder als nach oben ausgefranste Sterne im Bild sichtbar werden. Die einzige Möglichkeit dies zu verhindern ist es einen Temperaturausgleich zwischen Spiegel und Umgebung herzustellen. Aber wie?
Wir haben viele Maßnahmen ergriffen, welche bereits zuvor in anderen Kapiteln beschrieben wurden:

  • Aktive Kühlung des Spiegels mit Lüftern, welche über Peltierelemente kühle Luft in die Spiegelzelle blasen.
  • Wärmedämmung der Kuppel mit Steinwolle und Styrodurplatten.
  • Einbau einer Klimaanlage

Alle Maßnahmen brachten einen mess– und merkbaren Fortschritt, vor allem die Klimatisierung in Verbindung mit der Wärmedämmung konnte im Sommer das Problem weitgehend entschärfen. An extremen Tagen traten aber immer noch Tube Currents auf, wenn die Temperaturdifferenz zwischen Spiegel und Umgebung mehr als etwa 2°C betrug.

Als Ultima Ratio schwebte uns immer schon ein Neuanstrich der Kuppel vor. Aus historischen Gründen (Landschaftsschutz) war unsere Sternwarte außen braun, die Kuppel selbst Braun-Grün. Nun es zählt wohl zum Allgemeinwissen, dass es in einem weißen Auto in der Sonne weniger heiß wird als in einem dunklen. Warum also die Kuppel nicht weiß machen?  Nachdem die historischen Gründe im Vorjahr aus dem Weg geräumt werden konnten, haben wir uns das als Projektziel für 2023 gesetzt. Aber mit welchem Lack? Einfach weißer Lack aus dem Baumarkt?  Oder gibt es da Besseres?
Nun das gibt es tatsächlich: Reflektive Membrantechnologie, entwickelt für die Raumfahrt, konkret für den Hitzeschild der Spaceshuttles. Das Geheimnis liegt in speziell dafür entwickelten Glaskeramik-Hohlkörperchen, welche ein Vakuum einschließen. Kombiniert man diese Glaskeramik-Hohlkörperchen mit einer extrem haftenden, speziell entwickelten Dispersion und Aktivatoren, erhält man eine, im übertragenen Sinne, „flüssige Keramikkachel“, die nach der Applikation eine reflektive Membran ausbildet.
Die deutsche Firma Climate Coating bietet diese Substanz als ThermoActive Dachbeschichtung an. Nun was für die Rumfahrt gut ist, muss wohl auch für eine Sternwarte gut genug sein. So ließen wir unsere Kuppel sobald es das Wetter zuließ Ende April 2023 mit diesem Material in weiß beschichten.

Der Erfolg übertrifft bis jetzt alle Erwartungen. Das Kuppelblech, welches vor dieser Maßnahme bei ganztägiger Sonneneinstrahlung so heiß war, dass man es nicht angreifen konnte, ist jetzt vollkommen kühl. Die Temperatur im Inneren liegt gut 10°C unter der Aussentemperatur in der Sonne:

Zeitpunkt

Aussentemperatur

Kuppel Innen

Spiegel

1.5.2023, 21:30

14°

13,5°

13,5°

4.5.2023, 10:40

21°

9,5°

9,0°

4.5.2023, 15:45

26,9°

13,1°

11,8°

9.5.2023, 13:20

20°

10,4°

9,5°

Diese Ergebnisse stimmen uns zuversichtlich, dass wir mit dieser Maßnahme die lästigen Tube-Currents endlich besiegt haben. Extreme Hitzetage im Sommer werden uns die endgültige Antwort liefern.